Sonntag, 6. Oktober 2019

Ausmisten im Oktober - #Freetober (1/5)

Ausmisten im Oktober - #Freetober (1/5)
Das ist nun meine vierte monatlange Ausmisteaktion, die ich mitmache - wobei Ausmisten tatsächlich der falsche Begriff ist. Es ist kein Mist, den ich aussortiere, höchstens Mist, dass ich das meiste davon solange bei mir ungenutzt verwahrte, wenn es doch Menschen gibt, die es nutzen könnten, ohne sich Neues kaufen zu müssen. Ich mache bei der Aktion von Regina mit, die sie mit dem schönen Hashtag #freetober begonnen hat. Und so befreie ich mich im Oktober ebenfalls von etwas Besitz. Macht doch mit! Ganz ohne Stress! Schaut, was ihr nicht mehr nutzt, und dann weg damit: Ebay, Umsonstladen, Free-Your-Stuff-Gruppen, Umsonstläden, Sozialkaufhäuser, Rotes-Kreuz-Kleidersammlung, euer Freundeskreis ... freuen sich. Ich poste nun jeden Sonntag im Oktober, was ich die Tage zuvor aussortiert habe, und dann bin ich mal gespannt, was am Monatsletzten übrig bleibt. Mit 1.392 Dingen in meinem Besitz war ich gestartet.

Im Laufe der Woche habe ich 33 Kleidungsstücke aussortiert, was ich einigermaßen erstaunlich finde. Nach den drei Monatsaktionen sowie dreimaligem zusätzlichem intensiven Wüten in meinen ehemals sieben (sic) Kleiderschrankhälften, die ich allein mit meiner Kleidung gefüllt hatte, war ich bei meiner letzten solchen Challenge im Mai, nach sechs Jahren des Aussortierens und Reduzierens, der festen Überzeugung, ich wäre jetzt bei meinem persönlichen Minimum angelangt. Ich musste jedoch feststellen, dass ich drei meiner fünf Jackets nicht ein einziges Mal getragen hatte, den ganzen Sommer nicht eines meiner ärmellosen Shirts - obwohl es so heiß war - und auch manch ein anderes Kleidungsstück in größeren Anzahlen im Schrank war, als es mein Waschzyklus nötig machte. Ab zum Roten Kreuz damit.

Dann habe ich die vier Bücher der Tetralogie "Die Zwerge" von Markus Heitz an Freunde verschenkt. Ich liebe Heitz als Autoren, und diese vierbändige Chronik über den Zwerg Tungdil Goldhand fand ich großartig. Daher wäre es doch schade, wenn diese tollen Bücher ungelesen in meinem Schrank verharrten. Zudem sagte mir ein Freund: Wenn du stets nur dasselbe liest, bekommst du auch keine neuen Impulse. Schon umgesetzt, denn kaum war der Satz verhallt, hatte ich mir die Enyador-Saga von Mira Valentin auf den Ebook-Reader gezogen, sogleich verschlungen und nun mit Greg Walters Bestien-Chroniken begonnen.

Neun weitere Sachen verließen mich darüber hinaus: Ein kleiner Kleiderständer (stattdessen haben meine Freundin und ich je einen Stuhl aus der Küche im Schlafzimmer stehen, auf denen wir unsere Kleidung für den nächsten Tag zurechtlegen), eine Kühlbox und ein Koffer (die ich beide gut zehn Jahre ungenutzt auf dem Speicher stehen hatte), zwei Entkorker-Sets für Weinflaschen (beide mal geschenkt bekommen und nur selten mal die Korkenzieher genutzt - den Ausgießer mit Pfropfen nie ... ich habe Gäste, keine Reste!), drei Geschenkverpackungen für Weinflaschen (leer - Erklärung siehe oben) und eine externe Festplatte (befreit von zig Gigabyte ungehörter MP3s, ungesehener Videos und fürchterlicher Schnappschüsse - nur die schönsten habe ich behalten und zwar vernünftig beschriftet, um sie endlich auch mal wiederzufinden) - die sind jetzt erstmal bei Ebay-Kleinanzeigen, und ich bin gespannt, was die nächste Woche bringt. Allein in den Kleiderschrank zu schauen, lässt mich schon lächeln.


Dienstag, 1. Oktober 2019

Die Tuareg und der Besitz

Die Tuareg und der Besitz
Im Internet finde ich eine Zusammenfassung des Vortrages „Wie viele Dinge braucht der Mensch?“ - vom Ethnologen Prof. Spittler. Der Spezialist für die Tuareg erklärt, dass Mitglieder dieses Berbervolkes im Schnitt etwa 24-mal weniger besitzen als Deutsche. In verschiedenen anderen Quellen ist zu lesen, dass wir zwischen acht- und zehntausend Dinge besitzen; der Nomade, von dem Herr Dr. Spittler spricht, also offenbar nur zwischen 330 und 420 Dinge, darunter zum Beispiel nur 18 Kleidungsstücke. Und dabei macht es keinen Unterschied, ob der Tuareg reich oder arm ist, denn seinen Reichtum zu zeigen, ist traditionell verpönt. Der Wohlhabendste im Dorf ist also rein äußerlich vom Viehhirten, der für ihn arbeitet, kaum zu unterscheiden. Respekt, denke ich mir und erinnere mich daran, als ich vor vielen Jahren mit Hardrock-Café-Shirt und Löcherjeans zum Juwelier ging. Ich wurde völlig anders behandelt als wenige Tage später, als ich „zufällig“ nach der Arbeit und mit Hemd und Jacket in den Laden gegangen war. Ich weiß nicht, ob es bei den Tuareg Juweliere gibt, aber die dürften es wesentlich schwerer haben, jemanden abfällig zu behandeln. Immerhin verbergen sie ihren einzigen Reichtumsmarker, die Zahl ihres Viehs, ebenso gut, und selbst wenn nicht, wer würde sein Vieh schon mit sich führen, wenn er beispielsweise eine filigrane Halskette für die Liebste erwerben möchte? Ich sage nur: Elefant im Porzellanladen! Ich weiß natürlich, dass Tuareg Rinder- und keine Elefantenherden haben, die jedoch mit Sicherheit nicht weniger Arbeit machen. Und Arbeit ist ein gutes Stichwort. Ich wollte wissen, wie viel Besitz ich angehäuft habe. Ja, ich habe alle Dinge gezählt, die mir gehören. So etwas macht man an Samstagabenden, wenn man keinen Fernseher hat.

Bereits als ich mit dem ersten Raum fertig war, dem Schlafzimmer, hatte ich meine nomadische Vergleichsgruppe fast eingeholt, und das obwohl ich seit Jahren meinen Besitz um Ungenutztes reduziere. Schon drei einmonatige Ausmisteaktionen habe ich hinter mich gebracht, davor dreimal ausschließlich den Kleiderschrank reduziert. Immer noch mag ich mich nicht Minimalist nennen, doch dass ich noch so viel in meinen Schränken habe, überrascht mich dann doch. 1.392 Dinge sind es, die ich besitze, hat die Zählung ergeben. Das sind vier Tuaregs. Gerade der Kleiderschrank hat es in sich, nämlich Kleidung von stolzen elf Tuaregs. Rechnerisch versteht sich, meine Winterkleidung wäre in der Sahara ebenso fehl am Platz, wie meine Sportkleidung unpraktisch.

Das vergleichende Zählen meiner Besitztümer hat vor allem zwei Sachen bewirkt: Festzustellen, wie wenig es für ein erfülltes Leben braucht, aber vor allem zu merken, wie viele ich habe, von denen ich nicht wusste, dass ich sie besitze, geschweige denn weshalb. Ich glaube nicht, dass es eine bestimmte Zahl maximaler in Besitz befindlicher Dinge gibt, die den Minimalismus ausmachen. Jeder muss selbst definieren, was und wie viel man braucht, um glücklich zu sein, doch ich bin mir sicher, glücklicher wird man leichter, wenn man nicht mehr für so viel ungenutzten Besitz Raum, Zeit und Geld verschwenden muss. Ich jedenfalls „miste“ im Oktober wieder aus. Ebaykunden, die Besucher der Umsonstläden und meine Freunde werden sich freuen über das, was in ihren Händen wieder genutzt wird. Das macht mich nicht zum Tuareg, vielleicht nicht einmal zum Minimalisten, doch passt erst einmal alles in ein Tiny House on Wheels bin ich ja quasi auch ein wenig Nomade. Oder Minimalist. Oder beides.

Bildrechte: GarrondoCC BY-SA 3.0

Dienstag, 17. September 2019

Das vegane Steak

Das vegane Steak
Es ist das Jahr 2013. Ich sitze mit Freunden in einem Landgasthof nahe Fulda. Ich hatte mich entschlossen, ein 600 Gramm schweres Schnitzel zu bestellen und bekomme Angst, als der riesige Teller auf den Tisch gestellt wird. Dass ich es nicht packe, freut einen meiner Begleiter. Er hatte nur ein 400 Gramm schweres Rumpsteak und beäugt bereits seit Minuten meine immer mühsamer werdenden Kaubewegungen. Hätte mir an diesem Abend jemand gesagt, dass ich ein halbes Jahr später vegan leben werde, ich hätte vor Lachen Fleischstückchen geprustet.

Rund sechzig Kilogramm Fleisch isst der Bundesbürger jährlich. Von daher bin ich mir sicher, dass meine Ernährung von damals mindestens einen Menschen in den Veganismus getrieben hat! Und dieser arme Zwangs-Pflanzenköstler wäre dann genötigt gewesen, Fleischersatzprodukte zu essen. „Warum lebst du vegan und legst dann nachgemachte Wurst auf dein Brötchen?“, würde er von seinen Freunden ertragen müssen. „Weil sie schmeckt!“, hätte ich ihm seiner Zeit gerne als Antwort soufflieren wollen, doch das wäre eine Lüge gewesen. Damals gab es für meinen Gaumen nur einzige Geschmacksrichtung: Bluthochdruck. Der Markt kannte nur traurige, überwürzte Surrogate von etwas, das nicht einmal ein verliebter Metzger in die Auslage gelegt hätte. „Vegan wäre mir zu extrem!“, habe ich tatsächlich vor vielen Jahren mal gesagt. Ich frühstücke morgens Brot mit Aufstrichen, Paprikastreifen und Tomaten darauf, mittags Haferflocken mit Nüssen, Samen und Obst und mache mir abends eine Gemüsepfanne mit Bohnen. Ob ich mir 2013 mein Leben als Extremist so vorgestellt hatte? Wahrscheinlich nicht! Ich dachte vielmehr, ein Veganer könne ja fast gar nichts mehr essen. Aber so denkt man halt, wenn man wie ich mit Fleisch zu allen Hauptmahlzeiten und gerne mal zwischendurch einer Salami auf die Hand großgeworden ist – und es hatte mir gemundet. Wenn mir Menschen erzählen, sie würden ja gerne weniger Fleisch essen – denn letztlich ist jedem klar, dass 60 Kilogramm Fleisch pro Jahr weder für das Klima, noch für die Tiere und am allerwenigsten für die Gesundheit gut sind –, aber es schmecke viel zu gut, dann kann ich das verstehen. Doch es ist nur Gewöhnung. Der Spruch „Du isst nicht, was dir schmeckt, sondern dir schmeckt, was du oft genug gegessen hast!“ greift.  

Heute sieht es anders aus. Beyond Meat, Wiesenhof und seit letzten Monat sogar Aldi und Lidl führen pflanzliche Alternativen, die zumindest meiner vagen Erinnerung daran, wie Fleisch schmeckt, sehr nahe kommen. Doch die Zukunft wird eine andere sein. Das niederländische Startup Mosa Meat hat bereits 2013 den ersten Hamburger aus Stammzellen hergestellt. Drei Jahre später präsentierte das US-Unternehmen Memphis Meats ein Fleischbällchen aus Rinderstammzellen. Das israelische Unternehmen Aleph Farms arbeitet seit Anfang 2017 an einem in vitro produzierten Rindersteak samt Fettzellen, Blutgefäßen, Muskeln und Stützzellen. Potentaten wie Google-Mitbegründer Sergey Brin unterstützen die Projekte. In wenigen Jahren sind die Erzeugnisse marktreif, in Konsistenz, Geschmack und Bratgeruch von gewachsenem Fleisch kaum mehr zu unterschieden, und in zehn bis fünfzehn Jahren wird es nur diesen einen Unterschied mehr geben: Den niedrigeren Preis. Selbst Massentierhalter werden auf lange Sicht nicht konkurrieren können. Wenn Geschmack und Kosten dann keine Argumente mehr sind, wird es schwer, sich noch für „echtes“ Fleisch zu entscheiden. Ich bleibe allerdings bei Gemüse – Gewöhnung, ihr wisst ja!

Bildrechte: The image was originally posted to Flickr by avlxyz It was reviewed on 24 March 2010 by FlickreviewR and was confirmed to be licensed under the terms of the cc-by-sa-2.0.

Dienstag, 3. September 2019

Gut Holz!



Kürzlich sorgte eine Studie der ETH Zürich für Aufsehen: Das Wirksamste gegen den Klimawandel sei es, die Wälder aufzuforsten. Verrückt!, dachte ich. Wer hätte gedacht, dass Bäume, deren Holz eine Kohlenstoffverbindung ist, Kohlendioxyd (CO2) binden? Dass Bäume CO2 aus der Luft aufnehmen, mittels Photosynthese in Traubenzucker umwandeln, dessen Sauerstoff abgeben und Kohlenstoff zum Wachsen nutzen, war, seit wir im Biologieunterricht „Mein Freund, der Baum!“ gemeinsam geträllert hatten, kein wirkliches Geheimnis mehr. Spannend ist aber, dass Bäume zu pflanzen das Potenzial hat, zwei Drittel der bislang von Menschen verursachten klimaschädlichen CO2-Emissionen aufzunehmen. Von einer Milliarde Hektar – etwas mehr als die Größe der USA – sprechen wir hier. Der Raum wäre da! Bedenkt man, dass wir bereits nahezu die Hälfte der Waldfläche, die es gab, bevor der Mensch die Axt erfand, zerstört haben, käme das nahezu einer globalen Wiederaufforstung auf den Stand gleich, bevor die Römer ihre Classis-Germanica-Flotte aus unserem Baumbestand gezimmert hatten. Drei Billionen Bäume zählt die Erde, bis zu vier Billionen bräuchten wir. Schleswig-Holstein hat die Zeichen erkannt und will zum Tag der Deutschen Einheit eine neue Tradition ins Leben rufen: Jeder Deutsche soll am 3. Oktober einen Baum pflanzen.

Im Durchschnitt können wir mit zehn Kilogramm CO2-Bindung pro Baum und Jahr rechnen. In den Tropen liegt dieser Wert um ein Vielfaches höher, und gerade dort, speziell in Brasilien, wird gerodet, was die Säge hergibt. Da der Bestand des Regenwaldes die ganze Welt betrifft, wurde der Amazonas-Fonds eingerichtet. Dennoch ist die Abholzungsrate, seit Bolsonaro an der Macht ist, dramatisch gestiegen. Pro Minute geht die Fläche von drei Fußballfeldern verloren. Für dieses Jahr wird ein Anstieg der Rate um 45 Prozent im Vergleich zum Vorjahr erwartet. Während Bolsonaro „Fake-News“ ruft und sich zum Opfer von Umweltverbänden stilisiert, haben Deutschland und Norwegen ihre Mittel im Fonds eingefroren. Brasiliens kontert, Norwegen jage dafür Wale, und ich sage: Willkommen im Kindergarten! Wir verlieren weltweit fünfzehn Milliarden Bäume pro Jahr durch Abholzung. Doch es geht nicht nur um CO2: Pro Tag kann ein großer Baum bis zu 370 Liter Wasser aus dem Boden aufnehmen, in die Atmosphäre freisetzen und so für Niederschläge sorgen. Durch das Verdampfen von Regenwasser auf den Blättern wird weitere Wolkenbildung und neuer Niederschlag verursacht – bereits das verursacht rund 40 Prozent unseres Regens. Bäume kühlen zudem die Erde, indem sie durch die Bildung von Aerosolen die Entstehung von Wolken fördern, die einfallende Sonnenstrahlen reflektieren. Ein Teufelskreis für die Erderwärmung, wenn der Waldbestand weiter schrumpft.

Was hat der Wald mit unserer Lebensweise zu tun? Zwei Beispiele: Bei der Rinderhaltung entstehen für ein Kilogramm Fleisch Gase mit einer Treibhauswirkung von etwa 36 Kilogramm CO2. Gut neun Kilogramm essen wir im Schnitt jährlich – das sind 324 Kilogramm. Eine 250 Kilometerstrecke mit einem durchschnittlichen Auto führt zu einer Emission von gut vierzig Kilogramm CO2. Etwa 12.000 Kilometer legen wir jährlich im Schnitt mit dem Auto zurück – das sind 1.920 Kilogramm. 224 Bäume bräuchte es folglich allein zum Ausgleich von Rindersteaks und Individualverkehr. Das ergibt viel Arbeit am 3. Oktober – oder wir essen zwischendurch mal vegetarisch und fahren öfter mal mit der Bahn. Dann muss man zumindest etwas weniger Erde unter den Nägeln entfernen!

Dienstag, 20. August 2019

Helene Fischer auf Wacken?


Seit letzter Woche ist für die meisten hier die Urlaubszeit zu Ende. Für die Kinder hat das neue Schuljahr begonnen, die Eltern sind wieder in den Büros. Auch ich arbeite wieder und sitze erholt von meinen drei Wochen Camping-Urlaub, beginnend mit dem Heavy-Metal-Festival in Wacken, wieder vor dem Rechner. Ich schreibe diesen Text. Wie verbringt man seinen Urlaub möglichst umweltverträglich?

Meine letzte Flugreise liegt neun Jahre zurück, danach begann die Zeit, in der ich mir über meinen ökologischen Fußabdruck Gedanken zu machen begann. Ich verreiste ab da fast nur noch mit der Bahn, denn Flugreisen, da sind sich meine Kreise einig, sind der Klimakiller schlechthin im Verkehrssektor. Doch wie schlimm sind sie? Wie viel CO2 emittieren sie überhaupt? Die Gäste bei meinem monatlichen Stammtisch sind sich einig: Mit dem Flugzeug in den Urlaub zu fliegen, ist ähnlich schädlich für die Reputation, wie mit einem Helene-Fischer-Shirt beim Wacken-Festival zu sein. Meine ganzen Gäste? Nein! Ein von unwiderlegbaren Argumenten erfüllter Einzelner hört nicht auf, dem Postulat Widerstand zu leisten. Er ist Pilot und rechnet vor, wie viel Kerosin pro Flug getankt wird, wie viele Passagiere an Bord sind und welche Co2-Mengen verursacht werden. Verwirrung macht sich breit. Atemlos durch die Nacht geht es nach Hause. Ich recherchiere.

Tatsächlich rechnet Michael Müller-Görnert, Sprecher des Verkehrsclubs Deutschland e. V. (VCD), im Artikel „Verkehrsmittel im Vergleich - Intelligent mobil“ vor, dass ein Flugzeug für die Strecke Berlin-Frankfurt am Main nur 81,2 kg CO2 pro Fluggast emittiert, bei einem PKW sind es 94,2 kg. Als ich die Tabelle sehe, bin ich irritiert. Ich erinnere mich an Wacken zurück, wo an einer der Festival-Theken zu lesen war: „Wer kein Trinkgeld gibt, ist Helene-Fischer-Fan!“ Sind wir all die Jahre einem Phantom aufgesessen? Hätten wir lieber mit unserem Piloten zum Festival fliegen sollen, statt mit dem Camper zu fahren? Waren wir durch unseren Flugverzicht die Umweltsünder, die wir nie sein wollten? „Wer nicht mit dem Flugzeug fliegt, ist Donald-Trump-Fan!“, sehe ich schon an meiner Stammtisch-Kneipe in Holz geschnitzt an der Wand hängen. Zu der Emissionszahl existiert jedoch auch ein Klammervermerk: Ohne RFI-Faktor! Was ist das nun wieder? Nicht nur der VCD, auch das Umweltbundesamt, erläutern dazu, dass der RFI, also der Radiative Forcing Index, zu deutsch die Strahlungsantriebszahl, ein Faktor ist, der eine Vergleichbarkeit der Auswirkung von in großer Höhe erfolgenden Emissionen mit denen am Boden herstellt, denn der Flugverkehr wirkt nicht allein durch die Produktion von Klimagasen. Auch die Bildung von Ozon, der Ausstoß von Rußpartikeln, die Kondensstreifenbildung wirken beispielsweise erderwärmend. Im Ergebnis stellt das Amt fest, dass der gesamte Strahlungsantrieb der Emissionen und Effekte des Luftverkehrs etwa zweimal so groß ist wie der der CO2-Emissionen allein. Bezieht man in diese Berechnung mit ein, dass sich aus den Kondensstreifen auch ebenfalls erderwärmende Zirruswolken bilden können, erhöht sich der Faktor auf drei bis fünf. Das vergleichbare Ergebnis wäre also 94,2 kg für den PKW und 243,6 bis 406,0 kg CO2 für das Flugzeug. Uff!

Seit diesem Jahr ist Helene Fischers Best-of-Kompilation übrigens das am längsten in den deutschen Albumcharts platzierte Album. Vielleicht kommt sie ja auch mal nach Wacken. Immerhin war Heino 2013 auch dort, und trinkgeldförderlich wäre es obendrein. Natürlich nicht mit dem Flugzeug!

Bildquelle: Von Roger Green from BEDFORD, UK, derivative work Lämpel - Airbus A380, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=65623145