Dienstag, 27. März 2018

Intelligenter Frühstücksspeck oder Wenn im Kühlschrank Leben entsteht



Wenn ich vor Jahren in meinen Kühlschrank geschaut hatte, stellte sich weniger die Frage, auf was ich Lust hatte, sondern mehr die, was gerade weg musste. Dazu musste ich alles, was vorne stand, zur Seite schieben - denn natürlich räumte ich meine Neueinkäufe trotz besseren Wissens stets im vorderen Drittel ein. Nie fand ich den Frühstücksspeck, der angeblich da sein sollte. Nicht selten bedeutete es, mit einer Hand tief in die dunklen Bereiche einzutauchen, während die zweite versuchte, alles andere vom Herausfallen zu schützen. Dann musste ich es nur noch schaffen, meine Schulter so in Rotation zu versetzen, dass das aufgedruckte Datum ausreichend beleuchtet wurde. „März! Noch haltbar!“, hörte ich mich häufig sagen und dann ergänzen: „Schade! Falsches Jahr!“. Stets hielten mich animalische Laute von ganz hinten davon ab, auch die anderen Haltbarkeiten zu prüfen. Der Kühlschrank war immer voll: Drei Sorten Käse, zwei Sorten Schinken, fünf Marmeladen waren der Standard. Dazu Quark, Milch, Säfte und Frühstückseier. 

Stets nach der Arbeit war ich einkaufen, bevor ich einen Blick auf die Vorräte werfen konnte, und immer war ich dabei hungrig. So machte der Lebensmitteleinkauf besonders Spaß. „Auf was habe ich denn Lust?“, fragte ich mich vor der riesigen Auswahl stehend. Die Antwort war immer die gleiche: „Auf alles!“. Rein in den Einkaufswagen, ins Auto, in den Kühlschrank. Mit dem neuen Quark, den angebrochenen nach hinten geschoben, die neue Wurst auf die alte gestapelt und die zwei Packungen frische Gnocchi zur Seite, denn da stand ja noch der Topf gekochter Pasta von vorgestern im Weg. Nie begegnete mir der Frühstücksspeck, wenn ich ihn suchte. 

„Heute aber erst einmal einen großen Salat mit Hühnchenstreifen!“ Der frische Salat forderte mich immer regelrecht zum Kauf heraus, und Hühnchenbrust hatte ich noch zuhause. Zuhause angekommen stellte sich dann meist selbiger als ein Rest Thunfischfilet vom Vortag heraus, das ich eigentlich zusammen mit den Nudeln vom Tag davor essen wollte, dann aber doch das Filet lieber mit ein paar Zuckerschoten und Cocktailtomaten in der Pfanne gebraten hatte, weil es zu schade war, es einfach in eine Pastasoße zu schnippeln. Also kam der Rest in den Kühlschrank. Hält ja drei Tage. Und immer vorsichtig beim Reinräumen, denn in den dunklen Ecken raschelte stets etwas Unheimliches und knurrte. Am dritten Tag dann, der grundsätzlich am falschen Tag zu zählen begann, warf ich die Nudeln weg, dann den riechenden Thunfisch, dann den trockenen Käse und die sich seitlich hochwellende Wurst, und ich entfernte Schimmel von der Marmelade. Einmal im Monat musste ich den Kühlschrank komplett leer räumen, weil irgendetwas stank, Quark ausgelaufen war und ein Schmierfilm darauf hindeutete, dass sich etwas im Kühlschrank von selbst bewegte. Heute vermute ich, es war der Frühstücksspeck. 

Beweise fehlen natürlich, denn heute ist der Kühlschrank aus. Es befindet sich ein Aufstrich darin, eine Schokocreme und eine Marmelade. Alle drei esse ich täglich zum Frühstück, dazu rohes Gemüse, Sprossen und frisch gebackenes Brot. Ich koche täglich Kleinigkeiten, pimpe die Reste folgetags auf, so dass etwas gänzlich anderes dabei entsteht, und mache dadurch vor allem keine Reste, die in den Müll wandern. Es klingt komisch, aber zurückblickend war es nicht nur für die Umwelt ein guter Schritt, ohne Kühlschrank zu leben. Es hat mich entstresst – und mir die Angst gekommen, von mutiertem Frühstücksspeck irgendwann angefallen zu werden.

Bildquelle: https://pixabay.com/de/

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