Montag, 25. Februar 2008

Der Marquis - Das Duell

Der Marquis atmete schwer. Trotz der eisigen Kälte war ihm so heiß wie er es in den sengendsten Sommern nicht erlebt hatte. Der Schweiß rann ihm Sturzbächen gleich über die Stirn in sein gepudertes Gesicht. Die mit Rouge gefärbten Wangen waren bereits zerlaufen und ließen ihn wie einen gescheiterten Harlekin wirken. Wütend griff er nach seiner triefend nassen Perücke und warf sie auf den gefrorenen Boden.

„Was ist Monsieur? Seid Ihr des Kämpfens müde oder schämt Ihr Euch bereits, vor einem alten Mann kapitulieren zu müssen?“, rief er mit lauter Stimme seinem Opponenten entgegen. Die Antwort kam sogleich. Wutschnaubend preschte der kaum zwanzig Lenze zählende Aristokrat nach vorne. Der Degenstreich verfehlte die linke Wange des Marquis nur knapp. In letzter Sekunde wandte er sich nach rechts und ließ ihn an sich vorbeistürzen. Nicht ohne ihm seinerseits einen Streich mit dem Rapier zu versetzen, der ihn jedoch nur an seinem Hinterteil erwischte, ohne ihn zu verletzen. Nicht einmal das Beinkleid riss auf.

Früher hätte ich ein Duell in so einer Situation beendet, dachte er sich vergrämt und stützte sich schwer atmend auf seine Knie, während auch sein junger Gegner schwer mit seiner Kampfeskraft ringend an einem Baum lehnte. Weißer Dampf stieg von beiden auf und vereinte sich mit der kalten Winterluft zu zwei sich belauernden Nebelfeldern. Schon seit einer halben Ewigkeit ließen beide ihre Klingen sprechen.
Sie war aber auch eine Offenbarung, sein üppiges, süßes Weib, kam es dem Marquis zu Gedanken und entlockte ihm ein süffisantes Schmunzeln.
„Euer Weib kam mir schneller als Ihr. Ihr solltet Euch etwas mehr Ihrer Talente zu Eigen machen, Tölpel“

„Ihr seid so gut wie tot, Marquis!“, schrie der Gehörnte außer sich ob dieser Erinnerung an den Moment als er beide in flagranti erwischte und rannte erneut mit hoch erhobenem Degen auf den Marquis zu. Der mit Wucht geschwungene Stahl wurde mit Leichtigkeit pariert und der leichtsinnige Angriff sogleich mit einem Tritt der aristokraten Lederstiefel in den Bauch quittiert. Der ungestüme Angreifer fiel nach hinten zu Boden und versuchte sich rückwärts flüchtend wie ein Krebs den sofort geführten Hieben des Marquis zu entziehen. Mit dem dritten Streich trat der hintergangene Ehemann nach dessen Beinen und fällte den Marquis. Hart fiel er nach hinten und wurde seiner Atemluft beraubt.

Dennoch waren beide fast zeitgleich wieder auf den Beinen und begannen sich zu umkreisen. Langsam griff der Marquis mit seiner linken Hand zu seinem Waffengurt und zog seinen Parierdolch. Mit einem Nicken gab er zu verstehen, dass nun der Vorteil der jugendlichen Kraft ein Ende habe. Kaum war das Klicken zu vernehmen, das die dreiteilige Klinge des Klingenbrechers aufschnallen ließ, griff der Marquis auch schon an. Zwei über Kreuz geschwungene Hiebe zum Kopf seines Gegners und ein schneller Stich in Richtung des Halses ließen den Hintergangenen, bemüht die Hiebe zu parieren, zurückweichen. Mit der letzten Parade vollzog er eine schnelle Drehung und attackierte des Marquis Seite. Mit Mühen entkam er dem Stoß, indem er Degen und Rapier gleichzeitig nach unten in Richtung der generischen Klinge schnellen ließ.

Eine Serie von fünf oder sechs schnellen Hieben folgte, denen der Marquis nur rückwärts weichend entgehen konnte. Stahl klang auf Stahl. Dann ging es nicht mehr weiter und der Marquis spürte eben jenen Baum im Rücken, den der Betrogene gerade noch genutzt hatte, sich daran auszuruhen. Dem nächsten Stich entkam er nicht mehr. Das Stoßrapier verschwand durch seine linke Seite, die Rippen durchbrechend im Körper bis es auf der anderen Seite wieder austrat und sich im Baum versenkte. Vor Schmerz öffneten sich seine Hände und entwaffneten den Alten. Mit einem Schrei wie ein angreifender Braunbär griff er mit seiner Linken das Kreuz des ihn durchbohrten Degens, mit der rechten den geflochtenen Zopf seines Gegners und zog dessen Kopf an sich heran, während er mit seiner Stirn bereits ausholte. Der erste Kopfstoß ließ den Marquis Sterne sehen. Den zweiten spürte er kaum mehr an seiner schmerzbetäubten Stirn und mit dem dritten, der die schon mit dem zweiten Stoß gebrochene Nase vollends zertrümmerte, fehlte bereits der Widerstand, um die Schmerzen noch merklich steigern zu können. Der Junge drehte sich stöhnend von seinem Peiniger weg und fiel nach wenigen Schritten sein blutiges Gesicht einhändig haltend nach vorne auf die Knie und blieb dort regungslos liegen.

Stöhnend presse sich der Marquis mit dem Rücken gegen den Baum und fischte seinen Parierdolch mit dem Fuß nach oben, so dass er ihn mit seiner rechten greifen, ansetzen und den in ihm verbohrten Degen brechen konnte. Durch seine zusammengebissenen Zähne stoßatmend stieß er sich abrupt ab und ließ die gebrochene Degenspitze vollends durch sich durchgleiten. Die Beine wurden dem Marquis sofort weich und auch er brach zusammen.

Als der junge Aristokrat wieder zu sich kam, fand er den Marquis ihn mit großen ausdruckslosen Augen anstarrend am Baum gelehnt. Mit ausgestreckten Beinen saß er zu Boden des Baumes, der noch das Mal seiner Niederlage trug. Sein weißes Rüschenhemd und sein Ledermantel waren gefärbt von Blut und Dreck. Mit einem zufriedenen Blick in seinen Augen schritt er auf den Marquis zu.
„Du wirst niemanden mehr hörnen, Marquis“, näselte er und schritt auf den Marquis zu. Ein Schuss ertönte und der Siegesgewisse fiel mit einem daumengroßen Loch im Brustbein nach hinten um.

„Man wird mit meinem Lebenswandel nicht alt, wenn man fair kämpft“, hörte er den Marquis nicht mehr flüstern als dieser seine noch rauchende Radschlosspistole wieder zurück in seinen Mantel schob.
Mühsam stemmte er sich hoch und schleppte sich zurück zu seinem Schimmel, der wie immer unweit der Lichtung, die schon von so vielen Herausforderern des Marquis gedüngt wurde, auf ihn wartete.
„Vielleicht sollte ich das Wandern in fremde Betten doch langsam lassen. Andererseits. War sie nicht eine Sünde wert?“
Die süße Erinnerung ließ ihn den Schmerz für Kurz vergessen und die Bäume sahen den Marquis auf ein Neues mit seinem Pferd an den Zügeln in den Nebeln verschwinden.
Leise hallte seine Antwort in den geisterhaften Schwaden.
„Ja, das war sie! Das war sie.“

10 Kommentare:

  1. Da lese ich doch gerade wieder einmal das mich so aufs höchste entzückende "Pan Aroma" (Tom Robbins) und komme kurz bevor Morpheus mich zum Nachtschlaf abholt, an die Stelle, wo Alobar auf Pan trifft.

    Und dann lese ich anderntags das hier. Klar, daß "der Gehörnte" für mich aufs erste eine ganz andere Assoziation wachrief...

    Aber jedenfalls: prachtvoller Text! Ich darf mich der Meise anschließen und "mehr" sagen! :-)

    AntwortenLöschen
  2. Vielen Dank für den Hinweis. Ich habe den 'Gehörnten' nun etwas nach hinten versetzt, um Verwechselungen zu vermeiden. Jetzt ist er vom Anfang bis zu seinem Ende der unglückliche, junge Aristokrat ;-)
    Freu mich, dass Ihnen der Text ebenso zusagten.
    Von Robbins kenne ich nur 'Even Cowgirls Get the Blues'. Da werde ich wohl mal wieder in die Bücherei müssen.

    AntwortenLöschen
  3. *klatsch, klatsch*. Sie haben es, werter Träger der Helligkeit, sie haben es. Ich weiß nicht was, aber sie haben es.

    AntwortenLöschen
  4. Vielen Dank für die überschwengliche Ovation. Ich will bemüht sein zu wahren, was ich habe. Bewahre Du jedoch nicht die Welt davor, es kund zu tun, falls Du je herausfindest, was es ist, das ich habe, dann könnte ich es noch sicherer wahren ;-)

    AntwortenLöschen
  5. Tja, wieder einmal ein Beleg dafür, das Erfahrung meist über ungestüme Energie obsiegt!!!
    Schön formulierte Mantel-und-Degen-Fabel, mit einem herrlich unsympathischen Sympathieträger!!!

    AntwortenLöschen
  6. Vielen Dank. Dann kommt der gute Marquis ja genau so an, wie ich ihn mir erdacht hatte, diesen glücklichen Bastard!

    AntwortenLöschen
  7. Ja, tut er. Davon lese ich auch gerne noch mehr!

    AntwortenLöschen
  8. Vielen lieben Dank, gute Frau Vivaldi. Nur ungerne würde ich Sie enttäuschen wollen und den Marquis verfrüht dahinscheiden lassen.

    AntwortenLöschen