„Wir sind eben Jäger und Sammler!“, höre ich immer wieder. Mich macht das traurig. Ich esse kein Fleisch. Dadurch fühle ich mich ausgegrenzt. Während die modernen Wild- und Feldbeuter täglich in den Supermärkten erfolgreich jagen, frage ich mich bei einem mageren Salatblatt, das nicht davonlaufen kann, was einem dürren Veganer bleibt, um seinem stammesgeschichtlichen Erbe gerecht werden zu können? Definitionsgemäß ist ein Veganer jemand, der zu dumm zum Jagen ist. Das will ich nicht akzeptieren.
Ein Blick in meine Schreibtischschublade erweckt in mir den Verdacht, ich könnte bereits ein adäquates Substitut gefunden haben: Smartphones. Im Gegensatz zu Salatblättern können sie sich bewegen. Sie fliegen – meistens aus der Hand – und sind danach kaputt. Erst im Herbst vorletzten Jahres, als ich meine alten Druckerpatronen zum Recycling zu geldfuermuell.de eingesandt hatte, wanderten fünf defekte Handys mit ins Paket. Trotz meiner neuen, durch leidvolle Finanzeinbußen entstandenen Devise, grundsätzlich nur noch gebrauchte Mobiltelefone zu kaufen, haben sich seitdem überraschenderweise wieder vier Geräte angesammelt. Bin ich vielleicht so erfolgreich bei der Jagd, dass ich nicht einmal mehr registriere, dass ich Beute mache? Stimmt die Veganer-Definition etwa gar nicht. Andererseits könnte es möglicherweise dumm sein, sie in einer Schublade anzuhäufen.
Im Jahr 2017 sollen in Deutschland rund 23,6 Millionen Smartphones verkauft worden sein. Im Schnitt benutzen wir unsere Smartphones circa eineinhalb Jahre lang, bevor wir neue kaufen oder turnusmäßig mit der Vertragsverlängerung erhalten. Die alten kommen in den Schrank. Man weiß ja nie, ob man sie nochmal braucht. Dadurch schlummern einigen Quellen zufolge circa 100 Millionen Handys in den Schubladen und Schränken der Nation, und die sind nicht nur goldwert. Auch Rohstoffe wie Silber, Kupfer, Nickel, Palladium und Seltene Erden sind in ihnen verbaut und können zurückgewonnen werden – weiter Tantal in den Kondensatoren, Wolfram in den Vibrationsmotoren und, wenn sich der Akku entfernen lässt, auch Kobalt.
Zurück zum Gold: Durch Verhüttung können aus einem Smartphone nach einer Untersuchung des Öko-Instituts ungefähr 30 Milligramm Gold recycelt werden. Lohnt sich der Aufwand überhaupt? Definitiv! In einer Tonne alter Handys oder Smartphones befinden sich 250 Gramm Gold. In einer Tonne Golderz hingegen nur vier Gramm. Es müssten also 62,5 Tonnen Golderz abgebaut werden, um dieselbe Menge Gold zu gewinnen wie aus dem Recycling. Und nicht nur das! Wir hätten unsere Goldreserven gar nicht zurück nach Deutschland und in den Keller der Bundesbank bringen müssen. 130 Gramm wiegt ein Smartphone im Schnitt. Bei 100 Millionen Stück sind das 13 Kilotonnen Elektroschrott und nach der Verhüttung 3.250 Kilogramm Gold. Bei einem Handelspreis von 35.000 Euro für das Kilogramm Gold liegen in den Schubladen Deutschlands daher in Summe 113,8 Millionen Euro einfach so herum – die anderen Rohstoffe nicht eingerechnet.
Der geneigte Jäger und Sammler würde das vielleicht in Hack umrechnen (es sind 22,6 Kilotonnen beim Discounter), doch was macht derjenige, der zu dumm zum Jagen ist? Vielleicht mit anderen Handy-Nutzern gemeinsam sammeln? Ich versuch’s! Bis Ende des Monats nehme ich alle Altgeräte aus euren Schubladen, die ich bekommen kann, und lasse sie der Aktion der Deutschen Umwelthilfe zukommen. Selbst wenn wir alle nicht mehr wirklich jagen, sind wir doch vielleicht immerhin erfolgreiche Sammler. Fast 30 habe ich schon!
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